2. März 2021

Schlaufzügel: Folterinstrument oder Hilfszügel?

Gefühlt sollte man das Wort erst gar nicht erst aussprechen, denn man wird von vielen Seiten direkt gesteinigt. Das Thema Schlaufzügel ist sehr umstritten und die Meinungen gehen sehr stark auseinander:

Aber sind Schlaufzügel wirklich so schlimm, wie so oft gesagt wird? Schauen wir uns das mal etwas genauer an:

Was ist ein Schlaufzügel?

Schlaufzügel sind 2 - 2,5 m lange Zügel, die zusätzlichen zum normalen Trensenzügel verwendet werden können. Sie ermöglichen dem Reiter die Kopfhaltung des Pferdes zu beeinflussen. Im Duden finden wir folgende Definition:

"[Ein Schlaufzügel ist ein] (bei Pferden, die ständig gegen den Zügel gehen, verwendeter) langer Riemen, der vom Sattelgurt durch den Trensenring in die Hand des Reiters führt"

Er gehört zu der Art der Hilfszügeln und soll somit unterstützend wirken. Es gibt sie u. a. in den Materialen Nylon, Polyester, Baumwollgurtband, Beta-Biothane oder Leder. Außerdem gibt es noch Kombilösung aus Leder/Nylon.

Wie wird der Schlaufzügel überhaupt angebracht und wie hält man ihn in der Hand?

Es gibt mehrere Arten, wie man Schlaufis anbringen kann.

  1. Man befestigt sie am Sattelgurt zwischen den Vorderbeinen, lässt die Zügel durch die Trensenringe gleiten und hält sie dann zusammen mit dem Trensenzügel in den Händen (meist unter dem Ringfinger).
  2. Man befestigt sie an den Seiten des Sattelgurtes (ca. Fußhöhe), lässt sie dann durch die Trensenringe gleiten und hält sie ebenfalls mit dem Trensenzügel in den Händen (Geyer & Weishaupt, 2006).
  3. Es gibt noch die Möglichkeit, die Zügel zusätzlich durch den Kehlriemen laufen zu lassen.

Die Verschnallung haben wir nun verstanden, aber:

Sind Schlaufzügel denn verboten?

Auch wenn der Schlaufzügel zu den Hilfszügeln gehört, sollte er nur und ausschließlich nur von erfahrenen Reitern verwendet werden (de Némethy 1988). Niemals von Kindern oder unerfahrenen Reitern, denn er agiert wie ein Flaschenzug und kann eine starke Hebelwirkung bewirken  (Geyer & Weishaupt, 2006). Ich spreche da aus eigener Erfahrung, aber dazu kommen wir später. 

In der Gesetzgebung der FN wurde 2018 ein Gesetz verabschiedet, dass auf Turnieren bzw. Abreiteplätzen ein Schlaufzügel erst ab einer Klasse M** erlaubt ist, jedoch nicht zum Überwinden der Hindernisse.

Meine eigenen Erfahrungen zu dem Thema

Im Alter von 16 - ca. 20 Jahren bin ich täglich mit Schlaufzügeln geritten. Alle haben das so gemacht, ist ja auch viel einfacher. Man kann den Kopf des Pferdes unten halten, setzt sich oben drauf und sieht toll aus. Das ist doch Sinn der Sache, oder? Man muss sich auch kaum anstrengen oder gar auf das Pferd eingehen. Das Pferd wird zwar immer stärker in der Hand, aber man kann die "Schlaufis" ja auch einfach kürzer nehmen, das passt schon.

Wow…. Sehr traurig und heute ist mir diese Ansicht sehr peinlich und alle Pferde, die ich so geritten bin, haben eine sehr große Entschuldigung verdient. Ich wurde nicht nur als Reiter immer schlechter und schwächer, die Pferde wurden auch immer stärker und fester. Im Parcours konnte ich dann nicht mehr lenken oder bremsen. Die Pferde kannten das Wort "vorwärts abwärts" nicht und als Reiter saß ich AUF dem Pferd, nicht IM Pferd (wie bekannte Trainer das gerne immer wieder betonen). Ich persönlich nenne das "wie ein Affe auf dem Schleifstein".  Meine schlimmste Zeit in der reiterlichen Laufbahn.

Mit der Einsicht kam die Besserung: Ich habe Schlaufzügel jahrelang nicht mehr angepackt und hatte auch Angst davor, sie wieder zu benutzen. So eingesetzt waren sie tatsächlich ein Folterinstrument.

Raketchen ist ja bekanntlich ein sehr spezielles Pferd und ich ging damals täglich an meine Grenzen. Irgendwann wusste ich nicht mehr weiter. Sie schlug mit dem Kopf, ich hatte keine Verbindung zum Pferdemaul, meinen Schenkel hat sie auch nicht akzeptiert, mit treibenden Hilfen war also auch nicht viel. Sie nahm die Rübe hoch und zog los, Kontrolle war eher weniger bis gar nicht vorhanden.

Nach langer Überlegung habe ich die Schlaufzügel wieder hervorgeholt und bin damit geritten.

ABER: mit einer anderen Einstellung!

Es sollte tatsächlich ein Hilfszügel sein und uns helfen, besser zu kommunizieren. Ich habe viel ausgebunden longiert, mithilfe der "Schlaufis" konnte ich die Hände ruhiger halten und vermehrt auf meine treibenden Hilfen achten. Quasi wie ausgebunden longieren, nur dass ich oben drauf sitze und mich auf die Gewichts- und Schenkelhilfe konzentrieren konnte. Dem Pferd zeigen, wie die feine Verbindung zum Pferdemaul entstehen kann, ohne am Zügel zu ziehen!

Meine Gedanken waren immer fokussiert auf: Hand wieder vorgeben, treiben. Hand wieder vorgeben, treiben!

Studie zum Thema Schlaufzügel

In einer Studie von Roepstoff et al. (2002) wurde der Effekt von Schlaufzügeln untersucht. Sie haben dafür erfahrene Reiter mit und ohne Schlaufzügel traben lassen. Das Ziel war die Mehrlastaufnahme der Hinterhand im Vergleich zu untersuchen. Ergebnisse der Studie zeigten, dass Schlaufzügel kurzzeitig unterstützen können:

"Der Schlaufzügel agiert als eine Art Hebel und verstärkt den Effekt auf die Reiterhand. Dies ist hilfreich zu einem bestimmten Grad, aber wenn Schlaufzügel allein genutzt werden, endet es eher in abnehmbarer Geschmeidigkeit und weniger Vorwärtsdrang des Pferdes. Das Pferd wird dadurch weniger aktiv in der Hinterhand."

Roepstoff et al. (2002) kommen zu dem Schluss, dass Schlaufzügel in Verbindung mit dem normalen Zügel eine temporäre Unterstützung für den Reiter sein kann und keine permanente Zurückhaltung der Bewegung von Pferdekopf und Genick darstellen sollte. Sie schlussfolgern ebenfalls, dass der Schlaufzügel daher als Hilfszügel angesehen werden kann.

Sind Schlaufzügel nun ein Folterinstrument?

Ich muss sagen, dass diese Hilfszügel uns tatsächlich geholfen haben. Meine unruhigen Hände haben es mir immer erschwert, Raketchen die stabile Zügelhilfe zu ermöglichen. Mithilfe der Schlaufzügel konnten wir uns das Schritt für Schritt erarbeiten. In dem Sinne ist es für uns kein Folterinstrument.

Beim Thema Springen bin ich allerdings der Meinung, dass Schlaufzügel nicht genutzt werden sollten. Dies kann sehr schnell sehr gefährlich werden. Ich habe schon mitbekommen, wie sich Profis mit ihrem Pferd beim Springen mit Schlaufis überschlagen haben.

An manchen Tagen reite ich auch heute noch mit Schlaufzügeln, um an meinem Sitz zu arbeiten, meine Hände wieder ruhiger zu halten und um es uns in manchen Situationen auch etwas leichter zu machen. Ich bin kein Profi und reiterlich nicht so perfekt, dass ich alles ohne Hilfe schaffe.

Raketchen kommt leider nicht mit Dreieckszügeln klar (anderes Thema), ansonsten bin ich mir auch nicht zu fein, mit anderen Hilfszügeln oder Ausbindern zu reiten. Das solltest du übrigens auch nicht 🙂

Vielleicht hat sich dein Blickwinkel gegenüber Schlaufzügeln ein wenig geändert oder ich konnte dich zum nachdenken anregen. Man muss nicht immer alles direkt verurteilen. Es kommt darauf an, wie etwas genutzt wird und inwieweit es dir vielleicht wirklich helfen kann.

Literaturverzeichnis:

  • de Nemethys, B. (1988) Hopplära. The de Nemethys Method. Modern Techniquesfor Training the Show Jumper and its Rider. ICA- förlaget AB, Västerås,Sweden.
  • Geyer H, Weishaupt M A (2006): Der Einfluss von Zügel und Gebiss auf die Bewegungen der Pferdes - anatomisch-funktionelle Betrachtungen. University of Zurich, Switzerland.
  • Roepstorff L., C. Johnston, S. Drevemo and P. Gustas (2002): Influence of draw reins on ground reaction forces at the trot. Equine Vet. J. Suppl. 34, 349-352.
Janina
autor
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